Wir begleiteten Salma zur CDU/CSU Fraktion in Berlin damit sie dort über ihr Erleben zum Thema Kinderehe sprechen konnte.
Hier nun ihr Bericht:
Ich bin Salma.
Das ist mein richtiger Name. 36 Jahre schlimmes Leben in 10 Minuten zu erzählen ist schwer. Ich versuche es.
Ich bin in Kabul geboren, von tadschikischer Abstammung und schiitischer Religion. Von meinen elf Geschwistern leben noch vier.
Ich hatte eine große Schwester, die hieß Fatime. Sie war Ärztin in einer großen Klinik in Kabul und heiratete einen Paschtunen aus der Provinz Wardak. Dessen sunnitische Familie hasste meine Schwester wegen ihres schiitischen Glaubens, wegen ihrer Klugheit und Unabhängigkeit. Sie haben sich mit einem Mullah beraten, wie man ihr eine Lehre erteilt, die ihren Stolz bricht und öffentliches Auftreten ein für alle Mal unmöglich macht.
Im März 1992 haben die Männer dieser Familie meine Schwester gepackt und mit dem Gesicht über einen Petroleum-Ofen gehalten, um sie für immer zu entstellen. Das Feuer hat nicht nur ihre Haare und ihr Gesicht zerstört, sondern auch ihre Lunge. Deshalb konnten die Ärzte sie nicht retten. Das ist vor den Augen ihres fünfjährigen Sohnes Farhad passiert. Von da an war er stumm.
Ich war damals zwölf Jahre alt, mein Vater schon fünf Jahre tot. Dieser Mann wollte danach, dass meine Mutter MICH als Ersatz gibt. Das hat meine Mutter verweigert, um nicht noch eine Tochter zu verlieren.
Darum hat er zwei Wochen später seine vierjährige Tochter Madine gegen der Tochter eines anderen Mannes eingetauscht, um eine neue Frau zu haben. Dieser Mann hat Madine bis zum 12. Lebensjahr aufgezogen und dann geheiratet. Sie sagt bis heute „Onkel“ zu ihm.
Ein Jahr später hatten die Mudschaheddin Kabul unter sich aufgeteilt. Die Situation für uns Schiiten durch Morde und Vergewaltigungen in unserem Viertel so schlimm geworden, dass meine Mutter mit mir und meinen kleinen Geschwistern überstürzt nach Mazar-i-Sharif geflohen ist.
Alle Schulen waren voller Flüchtlinge. Alles ging drunter und drüber, bis wir durch das „Sicherheitsamt“ bei einer Familie einquartiert wurden. In den folgenden anderthalb Jahren sind wir Kinder NIE nach draußen gegangen, weil die Häuser immer wieder von verschiedenen „Kommandanten“ nach Flüchtlingsmädchen durchsucht wurden.
Eines Morgens holen sie MICH – derselbe Hamid, der uns die Wohnung zugewiesen hatte, mit einer Truppe Bewaffneter, vor den Augen einer Mutter. Sie bringen mich in ein Haus. Später merke ich, es ist seins. Weil ich nicht aufhören kann zu weinen und zu zittern und mich zu wehren, schlägt er mich brutal zusammen. Seine Mutter und Schwester helfen, mich zu fesseln und gegen mein Schreien den Mund zu verbinden.
Ich liege Stunden im Dunkeln, dann kommt er zurück. Noch gefesselt vergewaltigt und foltert er mich – schlimmer als jedes Tier. Am Anfang sind nur meine Hände auf den Rücken gefesselt – weil ich mich winde, fesselt er noch meine Unterschenkel an meinen Nacken und schnürt mich bewegungslos … Stundenlang… Bis zum Morgen…
Danach ist mein Leben ohne Bedeutung.
In diesem blutigen, zerfetzten Zustand sieht mich eine Nachbarin, die zufällig auf den Hof kommt, als mich seine Mutter dorthin zur Toilette schickt. Ihr wird erzählt, dass ich als Flüchtlingsmädchen von anderen so zugerichtet worden sei und ihr Hamid mich „gerettet“ habe. Weil trotzdem Gerede aufkommt, wird mir zwei Wochen später gesagt, dass er mich jetzt geheiratet habe. Ich bin ca. 14,5 Jahre alt und gehöre ihm ganz offiziell als Ehefrau.
Von da an hat er mich täglich „vermietet“. Immer mit einer Burka verhüllt, immer mit Autos von Haus zu Haus. Manchmal zu zehn Männern nacheinander, oft zu Gruppen gleichzeitig, dann nachts gequält und gepeinigt von ihm…
Nach ein, anderthalb Jahren war ich wie tot. Es kam ein Tag, an dem die Männer, als sie mich sahen, nur noch das Geld auf meinen Körper geschmissen haben, ohne mich anzufassen. Sie haben mit ihm geschimpft, dass sie keinen Leichnam kaufen wollten…
In dieser Zeit musste Hamid das Land verlassen und fliehen. Durch sein wüstes Leben hatte er sich Feinde gemacht. Ich habe gebettelt, dass er mich mitnimmt, weil seine sunnitische Familie mich Schiitin so sehr gehasst hat, dass sie mich umgebracht hätten. Mehrmals hatte ich seinen älteren Bruder schimpfen hören, der Segen sei vom Haus weggenommen, seit ich „Ungläubige“ dort lebe.
Wir haben dann 11 Jahre im Iran gelebt. Er wollte sein „Geschäft“ auch dort wieder anfangen, hat dann aber verstanden, dass das als Flüchtling zu gefährlich für ihn wird, falls ich ihn verrate. Dort sind unsere fünf Kinder geboren. Immer 40 Tage nach der Geburt hat er mich wieder geschwängert. Nur zwischen zwei Mädchen ist ein bisschen mehr Abstand.
Ende 2007 sind wir auf mein Drängen weiter nach Griechenland, weil mein Schwager unseren Ältesten zurück in die Hölle nach Afghanistan holen wollte. Nach den Regeln meines Landes gehören die Söhne immer der Familie des Mannes.
Ich hatte solche Hoffnung, DORT hört alles auf und ich finde eine winzige Ecke, in Ruhe zu Leben… Stattdessen ist alles NOCH schlimmer geworden.
Er hat zweimal versucht, mich zu erstechen, einmal, mich zu hängen. Er hat mich dort weiterverkauft, bevor er Ende 2014 allein nach Deutschland weitergereist ist. Ich hatte alle meine Kinder verloren, habe über Monate eingesperrt und dann wieder auf der Straße überlebt.
Aber das ist schon eine andere Geschichte – alles ist bei den Ämtern in Athen und in der Akte beim BAMF registriert…
Auch hier hat er versucht, mich unter Druck zu setzen. Durch Gesetz bin ich immer noch an diesen Mann gebunden. Meine Akte hängt an seiner. Nur über ihn konnte ich per Dublin-Verordnung überhaupt nach Deutschland ausreisen. Weil er länger in Deutschland ist, kann er das Helfersystem im Heim gegen mich aufbringen. Aber ich habe Freunde gefunden, die mich unterstützen. Ohne die Hilfe dieser Christen wäre ich ohne Chance geblieben.
Meine Kinder sind so verständig geworden, dass er sie nicht mehr so leicht gegen mich verwenden kann. Aber zwei meiner Töchter werden noch in Griechenland festgehalten, obwohl wir eine gemeinsame Einreisegenehmigung hatten. Ich kann nicht ruhig werden, bis sie in Sicherheit sind.
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