Aus dem Lukasevangelium 12, Verse 15 -21 – Gleichnis von Jeus Christus

15 Er sprach aber zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habsucht! Denn auch wenn jemand Überfluss hat, besteht sein Leben nicht aus seiner Habe.
16 Er sagte aber ein Gleichnis zu ihnen und sprach: Das Land eines reichen Menschen trug viel ein.
17 Und er überlegte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Denn ich habe nicht, wohin ich meine Früchte einsammeln soll.
18 Und er sprach: Dies will ich tun: Ich will meine Scheunen niederreißen und größere bauen und will dahin all mein Korn und meine Güter einsammeln;
19 und ich will zu meiner Seele sagen: Seele, du hast viele Güter liegen auf viele Jahre. Ruhe aus, iss, trink, sei fröhlich!
20 Gott aber sprach zu ihm: Du Tor! In dieser Nacht wird man deine Seele von dir fordern. Was du aber bereitet hast, für wen wird es sein?
21 So ist, der für sich Schätze sammelt und nicht reich ist im Blick auf Gott.

 

Viele Menschen waren in ihrem Leben schon mal an einem Punkt, wo sie dachten: „Es könnte schlimmer kommen.“ Und dann kam es schlimmer.

Wenn du zu den Menschen gehörst, die dies schon einmal oder gar öfter erlebt haben (so wie ich), dann beglückwünsche dich. Denn offensichtlich hast du es überlebt, sonst könntest du das jetzt nicht lesen. Du hast Leiderfahrungen gemacht und gelernt, damit zu leben und das ist gut so. Denn unsere heutige Gesellschaft fördert eine ganze Reihe gegenläufiger irriger Einstellungen. Eine davon führt zu einem ungesunden Streben nach einem an irdischen Maßstäben gemessenen Glück (Ruhm, Geld, Müßiggang etc.), was fast immer böse endet: Entweder mit charakterlichem Zerfall oder einer tiefen Depression. Unglückseligerweise ist beides obendrein oft verbunden mit einer Gottesferne, die nicht selten auch noch das Seelenheil kostet.

Mütter haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie es nicht schaffen, dass ihr Kind permanent glücklich ist. Kinder werden verwöhnt anstelle erzogen und dürfen „Bestimmer“ sein. Als Erwachsene haben diese Menschen ein egozentrisch erhöhtes Anspruchsdenken, ein reduziertes Einfühlungsvermögen und eine mangelnde Fähigkeit zum Belohnungsaufschub.

Immer mehr Menschen streben heutzutage nach dem persönlichen Glück, als gäbe es nicht auch naturgemäß die Kehrseite und als gäbe es keine wichtigeren Dinge im Leben.

Dabei ist irdisches Glück absolut trügerisch (wie das oben stehende Gleichnis vom reichen Kornbauern zeigt) und obendrein viel zu einseitig.

Man würde nämlich überhaupt keine Glücksgefühle kennen, wenn man nicht auch Unglück fühlen könnte und würde.

Stellen wir uns einmal eine Skala vor mit Glück auf der einen und Unglück auf der anderen Seite. Dann wäre es ein ganz normaler Lebensverlauf, wenn man sein Glückslevel je nach Lebenssituation mal auf der einen Seite (z.B. nach einer Geburt oder wenn man verliebt ist oder wenn man ein Ziel erreicht hat) und mal auf der anderen Seite sehen würde (z.B. bei Krankheit, bei Todesfällen, bei Jobverlust usw.). Es wäre völlig normal, dass man Phasen guter und schlechter Gefühle durchlebt. Und es wäre ein schönes, ausgeglichenes und gelungenes Leben, wenn am Ende in der Bilanz ein guter Mittelwerte zustande käme: Lebenszufriedenheit trotz aller Tiefen.

Psychisch gesunde Menschen kommen nach einer Zeit der Gewöhnung selbst nach Schicksalsschlägen (z.B. bleibender Behinderung nach einem Unfall) wieder auf ihr vorheriges Zufriedenheitslevel zurück. Umgekehrt kommen auch Lottogewinner nach einer Gewöhnungsphase wieder auf ihr vorheriges Zufriedenheitslevel zurück.

Dieses persönliche Zufriedenheitslevel, die persönliche Baseline, liegt irgendwo auf der Skala zwischen den Polen Glück und Unglück. Diese sogenannte Baseline ist individuell verschieden. Das ist ganz normal. So wie es z.B. mutigere und ängstlichere Menschen gibt, gibt es eben auch fröhlichere und ernstere Naturelle. Krankhaft wird es erst, wenn ohne äußeren Anlass die Stimmung häufig auf dem einen oder anderen Skalenende liegt (z.B. manische Hochgefühle auf der einen oder Depressionen auf der anderen Seite).

Menschen sind also naturgemäß irgendwo in der Skalenmitte zufrieden mit ihrem Leben und das umständehalber auch mal auf der glücklichen oder unglücklichen Seite.

Sollte es anders sein, liegt ggf. eine affektive Störung vor und dann ist u.U. eine therapeutische Intervention sinnvoll.

Jeder Manipulationsversuch an psychisch gesunden Personen – so auch der gesellschaftliche Trend nach individuellem Dauerglück – ist jedoch aus psychotherapeutischer Sicht unnötig und teilweise sogar schädlich.

Aus meinem Studienfach Neurophysiologie weiß ich, dass bereits einige (man könnte sagen wenige) Zusammenhänge zwischen unserem Fühlen und Handeln hirnorganisch erklärt (und im Krankheitsfalle teilweise auch pharmakologisch beeinflusst) werden können.

Neurophysiologische Studien belegen, dass zu viel positive Emotionen ebenso zu Beeinträchtigungen führen können wie zu viel negative Emotionen.

Dies Ergebnis ist nicht überraschend (überraschend ist eher die Fülle an Lebensratgebern, die einen Glücksmythos vertreten), denn viele Alltagsbeobachtungen zeigen, das sehr starke Glücksgefühle einen unvorsichtig machen und im Urteilsvermögen beeinträchtigen können oder gar zu moralisch bedenklichem Verhalten führen können:

  • Kinder, die fröhlich und ausgelassen herumtollen, verletzen sich öfter als Kinder mit leicht negativen Gefühlen (wie Hemmungen oder Angst), weil sie leichtsinnig werden
  • Schwer Verliebte gehen öfter in ihren Glücksgefühlen Beziehungen mit Partnern ein, die gar nicht zu ihnen passen oder gehen sogar Heiratsschwindlern auf den Leim, als Personen mit leicht negativen Gefühlen wie Selbstzweifel oder Misstrauen
  • In der Clique werden in bester Partylaune eher Dummheiten gemacht mit Alkohol, Delinquenz etc., während negative Gefühle dem entgegenwirken (z.B. Müdigkeit, Furcht vor Bestrafung)
  • In bester Kauf- oder Urlaubslaune wird nicht selten das Konto überzogen, was einem angesichts normaler Alltagssorgen um den Job oder dem Kontostand sonst eher nicht passiert
  • Der Unternehmer in bester Erfolgslaune trifft eher wirtschaftliche Fehlentscheidungen als ein Unternehmer mit Zukunftsängsten.
  • Personen, die nur gesunde und belastbare Familienmitglieder haben, werden mit chronisch Kranken Mitschülern/Kollegen/Nachbarn weniger Mitgefühl haben, als Menschen, die selber Leid mit kranken Angehörigen erlebt haben
  • Wer in Bedrängnis der Armut aufwächst, geht berufliche Ziele oft gezielter und motivierter an, als jemand, der in seiner glücklich behüteten Jugend nichts entbehren musste
  • Wer in einer nicht zufriedenstellenden Situation ist, erwirbt eher neue Kompetenzen als jemand, dem alle Steine aus dem Weg geräumt werden

Wie diese wenigen Beispiele schon zeigen, verhindert ein gewisses Maß negativer Emotionen nicht nur Fehlverhalten, es kann auch positives Verhalten fördern.

Fazit: Negative Gefühle sind für eine gesunde und angemessen funktionierende Psyche genauso wichtig wie positive Gefühle.
Erzieht eure Kinder, setzt Grenzen, lobt, wertschätzt und belohnt, aber überhäuft sie nicht mit Geschenken, nur weil sie lange genug rumgequengelt haben! Packt sie nicht in Watte, denn sie müssen für ihr späteres Leben lernen, negative Gefühle auszuhalten und deren Bedeutung richtig einzuschätzen und die richtigen Schlussfolgerungen daraus abzuleiten! Sie müssen lernen, auf Belohnungen zu warten, Rücksicht zu nehmen und sich anzustrengen, weil einem nicht alles in den Schoß fällt!

Wenn jemand sein Handeln nach der Bibel ausrichtet und sich vom Heiligen Geist leiten lässt, wird er ganz sicher in seinem Tun gesegnet und in schweren Lebenslagen geführt und getragen.

Ich wünsche dem werten Leser, dass er nicht irgendwelchen trügerischen Glücksidealen nachrennt, sondern im Vertrauen auf Gott seine persönliche Zufriedenheitsbaseline findet.

„Wer auf das Wort merkt, der findet Glück; und wohl dem, der sich auf den HERRN verlässt!“ (Sprüche 16.20)

 

Dr. Tanja Christina Zilius

Psychologin und Psychotherapeutin